Siegfried GrothPommernbücher |
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Wappen der Familie Groth | Stadtwappen von Pollnow |
Der Ruf der Eule
Es war schon spät abends und es dämmerte bereits, als wir mit mehreren Kindern vom "Kartoffelnsammeln" von Bauer Burke nach Haus gingen. Um den Weg abzuschneiden, gingen wir über den sog. Heiligen Berg, um dann über Piepers Hof zum Kleinbahnhof zu gelangen.
Wir waren damals im Alter von 10 bis 13 Jahren, und machten uns gegenseitig Angst mit Gruselgeschichten. Unsere Ängste steigerten sich, als ein Kauz oder eine Eule aus einem hohen Baum pfeifend, fast klagend anschlug.
Grund für diese kindlichen, übertriebenen Ängste waren natürlich die von den Erwachsenen berichteten, teils aus alter Zeit überlieferten Geschichten. Gerade um den Heiligen Berg rankten sich die tollsten Märchen, die an den langen Winterabenden am Kachelofen erzählt wurden.
Der etwas hügelige Weideplatz bei meiner Heimatstadt Pollnow, wo angeblich in Urzeiten eine kleine Kirche gestanden haben sollte, war für uns Kinder zum Spielen wie geschaffen. Damals grasten die Kühe und Rinder vom Bauern Pieper auf dem Heiligen Berg. Auf den welligen Erhöhungen standen nur wenige große Bäume, denn das Niederholz wurde von den grasenden Rindviechern sehr flach gehalten. Dort befand sich eine sumpfige Stelle im Waldboden. Die Rinder, aber auch wir Kinder, tranken bei Durst das sich sammelnde Wasser aus den Vertiefungen, die die Kühe mit ihren Hufen in den Boden gedrückt hatten.
Der Heilige Berg
Das war der Ort, wo sich der Überlieferung nach auf dem Heiligen Berg eine Wunderquelle befunden haben soll. Angeblich hatte jedoch einmal eine Frau ihre Ziege von der heiligen Quelle trinken lassen, so dass die Heilkraft des Wassers versiegte. Tatsache ist, dass im frühen Mittelalter (ca. 1150 n.Chr.) eine Marienkapelle auf dem Heiligen Berg gebaut worden war. Die kleine Kirche ist ca. 1533 mutwillig oder durch einen Brand zerstört worden.
Wie vermutlich jeder Pollnower, der nach dem Kriege die Heimat besuchte, ging auch ich einmal zum Heiligen Berg hinauf. Sofort fühlte ich mich in die Kindheit zurückversetzt: ich sah die Kühe grasen, die hohen Kiefern sich im Winde wiegen, und spürte in der Stille das, was man Heimat nennt. Fernab hörte ich die Sägegatter von "Erichs Mühle", wenig später das Pfeifen der Kleinbahn, die sich den Jatzinger Berg hinaufquälte.
Wenn man heute den Weg vom Klingshof seitlich zum Berg hoch geht, fallen die "Stationen" auf, die jeweils heiligen Personen gewidmet sind. In jüngerer Zeit haben Mönche aus Rügenwalde die besagte Heilige Quelle neu freigelegt, angebohrt und eingefasst. Dann folgt auf dem Berg der Höhepunkt: urplötzlich steht man mitten im Wald vor einer Kapelle. Dieses wunderbare kleine Gotteshaus mit dem Zwiebeltürmchen stellt ein absolutes Kleinod dar. Es ist bewundernswert, dass diese kleine Holzkirche im orthodoxen russischen Stil von Franziskaner Mönchen aus Rügenwalde, heute Darłowo in Polen, gebaut wurde.
Erinnerung und Wiedersehen
Vorbei ist der Krieg, viel Kummer und Schmerz,
verloren die Heimat, gebrochen das Herz.
Doch lebten wir weiter, im fernen Lande,
oft gequält von dem Heimweh, zerschnitten die Bande.
Du kehrtest zurück, nach Jahren der Zeit,
teils bekannt, teils auch fremd und vieles so weit.
Doch dieses Kleinod auf dem Heiligen Berge,
bot weitaus mehr als die sieben Zwerge.
Drum fahr mal "nach Hause", still deine Träume,
du wirst auch staunen, denn groß geworden sind die Bäume.
Geh hoch zur Kapelle, zünd' an ein paar Kerzen,
und es verschwindet, das Heimweh im Herzen.
Ein wohltuendes Erlebnis hatte ich bei einer Fahrt mit der Familie Klaus und Jürgen Lux, wo wir nach langem Suchen dann doch auf dem pommerschen Landgut Ponickel am Waldrand einen Gedenkstein für den Boxweltmeister Max Schmeling fanden. Auf dem Landsitz hatte Max Schmeling mit seiner Frau Anni Ondra von 1935 bis 1945 gelebt. Auch die Polen verehren diesen ehrenhaften Sportler.
Es gäbe noch viele erinnerungswürdige Orte und Begebenheiten zu erwähnen oder festzuhalten. Am besten wäre es natürlich, selbst mal wieder "nach Hause" zu fahren, vielleicht mit Freunden und Bekannten. Es dürfte dir nicht schwerfallen und es wäre nicht "geflunkert" oder übertrieben, wenn du von deiner Heimat mit dem schönen Städtchen Pollnow auf dem pommerschen Landrücken erzählst!
Siegfried Groth